ICE * In Case of Emergency

                                    
                                        ICE * In Case of Emergency
                                    
                                    © Foto: Paul Starring Gletscherzeremonie an der Roten Wand

                                    
                                        ICE * In Case of Emergency
                                    
                                    © None Eine Vorlesung und ein anschließender Workshop brachten den Teilnehmer:innen grundlegende ökologische Konzepte näher.

                                    
                                        ICE * In Case of Emergency
                                    
                                    © None Bei einem partizipativen Geschichtenworkshop lauschten Kinder aus und rund um den UNESCO Biosphärenpark Großes Walsertal den Geschichten von Gletschergeistern in Gewässern und Gletschern.

                                    
                                        ICE * In Case of Emergency
                                    
                                    © None Der interkulturelle Charakter eines Lagerfeuers schaffte eine besonders kollektive Atmosphäre zur Wissensvermittlung und poetische Basis für ökologische Empathie.

ICE * In Case of Emergency

LES 14-20

Projektträger
Regionalplanungsgemeinschaft Großes Walsertal

6731 Sonntag

Website

29. Juni 2023
30. Juni 2024

Alpine Kunstresidenz mit interdisziplinärem Programm zur Verbindung von Natur und Mensch durch Wissenschaft und Kunst.

ICE * In Case of Emergency ist eine internationale Projektinitiative, die durch den akuten Notfall – Aussterben von Gletschern, drastischer Anstieg des Meeresspiegels, Rückgang der Artenvielfalt auf der ganzen Welt – angetrieben wird. Die Aktivitäten sind ein dringender Aufruf, über den Horizont des Menschen hinauszudenken. In Anbetracht des kritischen Zustands des bereits sehr beschädigten Planeten, welcher eine Bedrohung für die verstrickte Multispezies-Welt darstellt, fordert das Künstlerkollektiv „Sympoietic Society“ menschliche Akteur:innen aus allen Teilen der Gesellschaft auf, ihre Lebens- und Denkweise schrittweise, aber radikal zu überdenken und gemeinsam neue Wege zu gehen.

Mit dem ICE*-Projektteil in Österreich reagierte die Biosphärenparkregion Großes Walsertal gemeinsam mit der „Sympoietic Society“ auf diesen Weckruf mit einer Reihe künstlerischer, interdisziplinärer und performativer Interventionen, die lokale Ökosysteme erforschen und die Sensibilität und Wiederverbindung mit der mehr-als-menschlichen Welt schärfen und ermutigen. Zudem sollen Kunst und Kultur in Zukunft in der Region verstärkt als Vermittler zu Umweltthemen genutzt werden, da eine nachhaltige Entwicklung im Kern eine sozio-kulturelle Entscheidung und Haltung ist.

Die Region Großes Walsertal möchte zur Sensibilisierung und Umweltbildung neue Formate fördern und selbst initiieren, um verschiedenste Zielgruppen anzusprechen. Dabei sollen im Sinne einer Modellregion Vorschläge, Experimente und Handlungen unterstützt werden, die nach innen, aber auch nach außen dienlich und motivierend sein können.

Einzelne Akteur:innen des Künstlerkollektivs sind bereits aus der Zusammenarbeit im Projekt Nature Design Camp bekannt. Im Projekt ICE wird die Zusammenarbeit weiter verstärkt und ausgebaut.

Die Aktivitäten der Initiative zum Projekt ICE* haben bereits im Sommer 2022 begonnen und sollen bis Herbst 2023 über drei Gebiete in Finnland, Italien und Österreich reichen. Vereint durch den räumlichen Bezug zu diversen Gewässern, die alle direkt von der globalen Erderwärmung betroffen sind, werden drei Standorte zum Schauplatz von praktischen und kreativen Workshops, Vorträgen, Symposien und Gruppenaktivitäten.

Hier wird das Kollektiv „Sympoietic Society“ mit lokalen Gemeinschaften, Künstler:innen, Wissenschaftler:innen, Gletscherforscher:innen, Bergsteiger:innen und regionalen Akteur:innen zusammenarbeiten, um ein solides Netzwerk zu bilden, welches vor Ort akute Umweltprobleme thematisiert und diskutiert.

Für den österreichischen Teil wird die UNESCO Biosphärenparkregion mit dem formalen Projektträger REGIO Großes Walsertal sowie Kooperations- und Vernetzungspartnern auftreten. Gespräche zur Mitarbeit wurden bereits mit Gletscherforscher Günter Groß sowie Alpinist Alex Luger geführt.

Die Vorort-Interventionen sind in das Veranstaltungsformat „Walserherbst 2023“ eingebettet und das Projekt trägt damit auch zur Kooperation im Tal bei.

  • Ziel des Biosphärenparks ist es, gemeinsam mit dem Projektkollektiv Bewusstsein und Sensibilisierung für die mehr-als-menschliche Welt und die Zusammenhänge in der Natur durch die Kombination von Wissenschaft und Kunst zu fördern. Durch künstlerische Praktiken und Aktivitäten in Zusammenarbeit mit der lokalen Gemeinschaft werden neue Zukunftsbilder und Erzählungen geschaffen und die Beziehung zur Natur wird gestärkt.
  • Den Teilnehmer:innen werden wissenschaftliche Kenntnisse vermittelt, sie werden sinnlich und atmosphärisch angesprochen und dazu angeregt, nach sozialen, kulturellen und gestalterischen Strategien zu suchen, die uns helfen, den zivilisatorischen Standard ohne Wachstum, Hyperkonsum und exzessiven Naturverbrauch zu bewahren. Also Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Natur.
  • Durch die Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen, Forscher:innen und Expert:innen wird ein breiteres Bewusstsein für den großen ökologischen Zusammenhang geschaffen. Es muss über die Grenzen der Disziplinen hinausgedacht und Wissen geteilt werden, um Umweltprobleme anzugehen und bestehende Systeme zu transformieren.

Das LEADER-Projekt stand in direktem Austausch zu den Aktivitäten des Kollektivs in Finnland und Italien und bettete deren Erfahrungen und Erkenntnisse ein. Kern des Projekts war die Umsetzung einer alpinen Kunstresidenz auf der Burgruine Blumenegg vom 5. bis 10. September 2023.

Am 9. September 2023 gipfelte das Projekt schließlich in einer Gletscherwanderung und Gletscherzeremonie, um auf den schwindenden Gletscher der Roten Wand hinzuweisen. Diese bestand aus einer geführten Wanderung eines Bergführers im Habitat sowie diversen öffentlichen Interventionen von Wissenschaftler:innen, Künstler:innen und Bergsteiger:innen.

Die Kunstresidenz "ICE* In Case of Emergency" lud, eingebettet im Festivalprogramm des Walserherbst, zu Workshops, Performances, Lagerfeuer Gesprächen, Vorträgen aus Kunst, Kultur, Design und Wissenschaft sowie einer Podiumsdiskussion ein. Folgende Aktivitäten wurden durchgeführt:

MORNING SESSIONS | Workshop

  • Die Morning Sessions waren eine tägliche Serie von Kurzveranstaltungen, die jeweils am Morgen während der Kunstresidenz stattfanden. Jede Veranstaltung wurde von Künstler:innen geleitet mit Fokus auf Mitwelt und Landschaft.

MEHR-ALS-MENSCHLICHES | Vorlesung + Workshop

  • Die Vorlesung und der anschließende Workshop brachten den Teilnehmer:innen grundlegende ökologische Konzepte näher, um sich voll und ganz auf das ICE Projekt einzustimmen. Die Vorlesung bestand aus einem Kurzvortrag von Daniel Dolci, der sich mit der mehr-als-menschlichen Mitwelt auseinandersetzt. Diese Anregungen wurden im Anschluss in einem von Nur Horsanalı geleiteten praktischen Workshop verinnerlicht.

GLETSCHERGEISTER | Workshop

  • Der partizipative Geschichtenworkshop konzentrierte sich auf Umweltbildung und die Vorstellungskraft der Generation von Morgen. Kinder aus und rund um den UNESCO Biosphärenpark Großes Walsertal wurden eingeladen, den Geschichten von Gletschergeistern in Gewässer und Gletscher zu lauschen.
  • Zeichnungen und Geschichten aus Finnland, Italien und Österreich wurden in Zusammenarbeit mit der regionalen Schneiderin Claudia Ebster in Form von Textil-Skulpturen zum Leben erweckt. Die Gletschergeister Skulpturen und ihre Geschichten wurden von Geschichtenerzähler:innen präsentiert.

LAGERFEUER GESCHICHTEN | Symposium

  • Das Lagerfeuer-Symposium versammelte das internationale Kunstkollektiv, Teilnehmer:innen aus und in das Tal kommend mit einem Glaziologen am Lagerfeuer. Der interkulturelle Charakter eines Lagerfeuers schaffte eine besonders kollektive Atmosphäre zur Wissensvermittlung und poetische Basis für ökologische Empathie. Die Veranstaltung, die an althergebrachte Rituale der Zugehörigkeit und gesellschaftlichen Austauschs erinnerte, fungierte somit als Brücke zwischen Wissenschaft und Kunst, um das Schmelzen und Schwinden von Gletschern zu thematisieren. Der Glaziologe berichtete über das fragile Ökosystem von Gletschern und teilte dabei Anekdoten aus langjähriger Erfahrung als Gletscherforscher in den Alpen.

GEMEINSAM ANDERS | Kurzfilm und Podiumsdiskussion

  • Expert:innen unterschiedlichster Disziplinen diskutierten über Klimaschutzmaßnahmen und Gletscher sowie die Potentiale für einen radikalen Wandel in Kunst, Wissenschaft und Aktivismus. Zur Einführung wurden Auszüge von Kunstprojekten und Kurzfilmen präsentiert, um im Anschluss mit den Expert:innen über die Rolle der Kunst und des Klimaschutzes in einer Zeit des Schmelzens und Schwindens von Gletschern zu sprechen.
  • Podiumsteilnehmer:innen: Alexander Luger, Alpinist / Günther Groß, Glaziologe / Eugen Fulterer, Walserherbst Festival Kurator / Dr. Gerd Estermann, Naturschützer / Ingo Türtscher, UNESCO Biosphärenpark Großes Walsertal / Sympoietic Society, Christoph Matt

VERKÖRPERUNG VON HOFFNUNG | Performance

  • Ein tiefes Eintauchen in eine verkörperte Bewegungspraxis als ein möglicher Weg zur Verbindung von Natur und Mensch. Mit einem Fokus auf die Emotion von Hoffnung, wurde es den Teilnehmer:innen ermöglicht, sich selbst als Teil der Natur zu erleben. In dieser Gemeinschaft von Natur und Mensch entstand ein Raum für eine hoffnungsvolle Zukunft.

GLETSCHERZEREMONIE | Abschiedsfeier

  • Ein Jahr lang forschte und experimentierte das Kunstkollektiv mit Gewässern, Gletschern und lokalen Gemeinschaften in Finnland, Italien und Österreich. Die Gletscherzeremonie bildete den Abschluss der interlokalen Interventionen des ICE * In Case of Emergency Projekts. Dabei wurden die Interventionen, Erkenntnisse, Ideen und Erzählungen zusammengeführt.
  • Die Zeremonie teilte sich inhaltlich in ein Basis- und Höhenlager. Teilnehmer:innen waren im Basislager auf der Alpe Klesenza zu künstlerischen Interventionen eingeladen und mittels Bild- und Tonübertragung mit der Gletscherzeremonie im Höhenlager in Gemeinschaft verbunden.
  • Das Kunstkollektiv brach in Begleitung von lokalen Bergführern zur Kunstwanderung auf und hielt die Gletscherzeremonie im Höhenlager auf einem Aussichtspunkt auf dem Rote Wand Gletscher um 11:58:30 Uhr, in Anlehnung an die Weltuntergangsuhr, ab. Nach einer initialen Trauerminute wurde eine Abschiedsrede von Glaziologe Günther Groß von der Roten Wand in das Basislager mittels Funk übertragen. Die Walser Guides Bergführer:innen hissten symbolisch ein Grabtuch für den Gletscher, das Kunstkollektiv streute zusammengetragenen Staub von Gletschern aus den Alpen in den Wind. Die Zeremonie endete am Rote Wand Gipfel mit der Beigabe eines Gletscher-Registerbuchs zum bestehenden Gipfelbuch, um das Aussterben des Gletschers fortlaufend dokumentieren zu können.
  • Die Zeremonie gestaltete sich als performativer Moment im Großen Draußen, einem Moment des Gedenkens, der Würdigung und der Trauer über den mehr-als-menschlichen Verlust von Gletschern - gemeinschaftlich verbunden zwischen Basis- und Höhenlager.

Das Ziel des Biosphärenparks, gemeinsam mit dem Projektkollektiv Bewusstsein und Sensibilisierung für die mehr-als-menschliche Welt und die Zusammenhänge in der Natur durch die Kombination von Wissenschaft und Kunst zu fördern, konnte erreicht werden. In künstlerischen Formaten wie Workshops, Performances, Lagerfeuergesprächen, Kunst- und Wissenschaftsvorträgen mit Expert:innen entstand ein anregender Austausch mit der Bevölkerung und es wurde über Zukunftsbilder und eine bessere Beziehung zur Natur diskutiert.

Somit wurden den Teilnehmer:innen nicht nur wissenschaftliche Kenntnisse, Daten und Fakten vermittelt. Sie wurden sinnlich und atmosphärisch angesprochen und dazu angeregt, ihr eigenes Handeln und deren Auswirkungen zu reflektieren.

Durch die Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen, Forscher:innen und Expert:innen wurde zudem ein breiteres Bewusstsein für den großen ökologischen Zusammenhang geschaffen. In Anbetracht der multiplen globalen Krisen wurde klar aufgezeigt, dass über die Grenzen der Disziplinen hinausgedacht werden muss, um Umweltprobleme anzugehen und bestehende Systeme zu transformieren.

Die Alpine Kunstresidenz & Gletscherzeremonie wurde interdisziplinär und mit einer großen Vielfalt an Austausch- und Beteiligungsmöglichkeiten umgesetzt.

Nach Abschluss der standortspezifischen Forschung und der Aktivitäten im Rahmen der Alpinen Residenz wurde eine Website gestaltet, (https://incaseofemergency.earth) welche den Vermittlungsstrang im Biosphärenpark Großes Walsertal, nämlich Zusammenhänge in der Natur durch die Kombination von Wissenschaft und Kunst zu fördern, aufzeigt. Die Website soll weiterhin als „Lebendes Archiv“ öffentlich einsichtig sein und durch folgende Aktivitäten weiterwachsen.

Das Projekt mit der Gletscherzeremonie wurde in einer professionellen Dokumentation aufbereitet und wird im Laufe des Jahres über verschiedenste Kanäle ausgespielt: sowohl über soziale Medien als auch bei diversen Kurzfilmfestivals wie beispielsweise der Alpinale in Bludenz. Die Ergebnisse der Feldforschungen stehen zur Verfügung, um für weitere Entwicklungskonzepte (bspw. Weiterführungskonzept Klimawandelanpassungsmodellregion) verwendet zu werden.

Direkt am Gipfel der Roten Wand und an der Alpe Klesenza nahmen die Teilnehmenden Abschied vom schmelzenden Gletscher - verbunden mit der Aufforderung, rasche Maßnahmen gegen den Klimawandel zu setzen. Foto: Christoph Eberl, Sympoietic Society

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