Gemeinden auf Tuchfühlung mit gemeinschaftlichem Wohnen

Gemeindemandatar*innen und weitere Interessierte aus Vorarlberg besichtigen das genossenschaftliche Projekt "wohnenPlus" in Wangen.
Gemeindemandatar*innen und weitere Interessierte aus Vorarlberg besichtigen das genossenschaftliche Projekt "wohnenPlus" in Wangen.
16.03.2022

Gemeinden können gemeinschaftliche Bau- und Wohnprojekte unterstützen, selbst umsetzen - oder verhindern. Mit Besichtigungen und Vorträgen konnten sich Gemeindevertreter*innen aus Vorarlberg in den letzten Tagen aus erster Hand informieren, wie gemeinschaftliches Wohnen funktioniert und welchen Mehrwert es hat. Auf dem Programm standen Wohnanlagen in Burgrieden und Wangen (Süddeutschland) sowie in Andelsbuch.

Gemeinschaftliche Wohnformen können eine interessante Alternative sein, um bedürfnisgerechtes Wohnen und Leben zu ermöglichen. Es ist unbestritten, dass Gemeinden bei solchen Bau- und Wohnprojekten eine zentrale Rolle spielen. Eine Befragung unter Gemeindeverantwortlichen in Vorarlberg hat gezeigt, dass großer Informationsbedarf zu diesem Thema besteht, insbesondere in ländlichen Gemeinden. Daher bietet die Regio-V im Rahmen ihres Projekts „Neue Nachbarschaft“ eine Veranstaltungsreihe für Gemeindemandatar*innen an.

Wie Wohnen allen gerecht wird

Zum Auftakt war am 3. März Josef Pfaff, Bürgermeister der Gemeinde Burgrieden in Süddeutschland, zu einem Vortrag in Andelsbuch zu Gast. Pfaff stellte den Wohnpark „ALLENgerechtes Wohnen“ vor. Die rund 4.000 Einwohner*innen zählende Gemeinde hatte sich gemeinsam mit der Bürgerstiftung Burgrieden auf einen bemerkenswert selbstbewussten Weg für die Entwicklung eines neuen, „ALLENgerechten“ Wohnquartiers in zentraler Ortslage gemacht. Motivation hierfür war einerseits ein Mangel an Bauplätzen und andererseits der in einer Befragung geäußerte Wunsch älterer Bürger*innen, in Gemeinschaft mit verschiedenen Altersgruppen zu wohnen.

Auf einem gemeindeeigenen Grundstück wurde ein Wohnquartier für alle Altersgruppen und Lebenslagen entwickelt. Interessierte hatten die Möglichkeit, ihre Ideen bei der Konzepterstellung einzubringen. Der in 2016 eingeweihte Wohnpark besteht aus vier Gebäuden mit 44 Wohnungen unterschiedlicher Größe, Gemeinschaftsflächen wie Café und Gästewohnung, mit Grünflächen dazwischen und einem Atrium in der Mitte der Anlage. Die Wohnungen wurden bevorzugt an einheimische Käufer*innen und Mieter*innen vergeben. Die Gemeinde hat sich in der Anfangsphase stark eingebracht (zB Kauf des Grundstücks und Finanzierung der Planung) und zahlt einen Minijob für eine Kontaktstelle im Wohnpark, die auch für Anliegen aus der Bevölkerung offensteht. „Wenn die Gemeinde gegen ein solches Projekt ist, wird es schwer“, so ein Fazit von Josef Pfaff.

Von den Erfahrungen anderer profitieren

Mit dem Veranstaltungsort „miteinander füreinander“ stellte der Andelsbucher Bürgermeister Bernhard Kleber ein zweites gemeinschaftliches Wohnprojekt vor, das von den Teilnehmenden auch besichtigt wurde. Kleber ist es wichtig, dass andere Gemeinden von den Erfahrungen aus Andelsbuch profitieren können – sogar das Betriebskonzept steht Interessierten zur Einsicht offen. Auch Josef Pfaff bietet eine Vorort-Besichtigung des Projekts in Burgrieden an.

Genossenschaftliches Erfolgsprojekt in Wangen

Rund eine Woche später besichtigte eine Vorarlberger Delegation aus Gemeindemandatar*innen das Projekt „wohnenPlus“ in Wangen im Allgäu. Auf dem Gelände einer ehemaligen Spinnerei entsteht am Ortsrand ein genossenschaftlich organisiertes Wohnprojekt mit 30 Wohneinheiten. Das Vorhaben bietet besonders viele Gemeinschaftsflächen: großer und kleiner Saal, Bad, Sauna, Gästezimmer, Fahrrad- und Holzwerkstatt, Waschraum und weiteres mehr. Die individuelle Wohnfläche kann dafür reduziert werden: Die maximale Wohnungsgröße ist die Bewohner*innenzahl plus 1 (also zB eine 3-Zimmer-Wohnung für 2 Personen). Das erste Gebäude wurde vor einem Jahr bezogen, am zweiten Gebäude läuft gerade der Innenausbau.

Diskutierte Themen waren die Finanzierung, der Entstehungsprozess sowie Hindernisse und Erfolgsfaktoren. Der Genossenschaft ist es mit viel Engagement über mehrere Jahre gelungen, die anfangs skeptischen Entscheidungsträger*innen der Stadt von ihrem Vorhaben zu überzeugen – unterstützt durch den Oberbürgermeister, der vom Mehrwert des gemeinschaftlichen Vorhabens überzeugt war. Die finanzielle Unterstützung der Genossenschaftsmitglieder in Höhe von mehr als 1 Mio Euro ist ein großer Erfolg, der insbesondere durch viele Fördermitglieder ermöglicht wurde.

Spielend gemeinschaftliches Bauen planen

Wie viele Baukörper sollten auf ein vorhandenes Grundstück? Wo kommen die Fußwege hin und wo die Fahrradabstellplätze? Drei Gemeinden vertiefen das Thema gemeinschaftliches Bauen und Wohnen über ein halbtägiges Planspiel. Das im Rahmen von Neue Nachbarschaft entwickelte Planspiel gibt einen Überblick über die Fragen und Fachbegriffe, die bei Entscheidungen zu neuer Wohnbebauung und der Planung dafür wichtig sind. Es bringt die Sichtweisen und Bedürfnisse verschiedener potenzieller Nutzer*innen auf den Tisch: von der benachbarten Landwirtin zum Senior bis zum Jugendlichen. Im Rahmen des Projekts wird das Planspiel an drei Terminen angeboten - im Fokus stehen dabei Gemeindeverantwortliche. Beim Termin am 1. April können sich einzelne Interessierte noch anschließen.

Mehr Informationen

Vortrag ALLENgerechtes Wohnen und Besichtigung miteinander füreinander:
•    Präsentation von Josef Pfaff zum Wohnpark „ALLENgerechtes Wohnen“
•    Fotos der Veranstaltung vom 3. März und weiterführende Links

Besichtigung wohnenPlus, Wangen: Fotos und weiterführende Links

Planspiel

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Veranstaltung